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Verfahren der Varianzanalyse

Johannes Lüken / Dr. Heiko Schimmelpfennig

Wenn die Mittelwerte von mehr als zwei unterschiedlichen Gruppen (unabhängigen Stichproben) oder mehr als zwei Erhebungen bei denselben Personen (abhängigen Stichproben) miteinander verglichen werden sollen, reicht ein t-Test nicht mehr aus. Dann ist auf eines der nachfolgend vorgestellten Verfahren der Varianzanalyse zurückzugreifen.

 

Ein- und mehrfaktorielle Varianzanalyse

In einem Produkttest werden drei unterschiedliche Varianten getestet. Dazu erfolgt eine zufällige Aufteilung der Probanden in drei Gruppen. Die Mitglieder einer Gruppe erhalten jeweils die gleiche Variante zum Ausprobieren. Anschließend werden die Versuchspersonen nach ihrer Kaufabsicht gefragt. Ob sich die durchschnittliche Kaufabsicht signifikant zwischen den drei Gruppen und damit zwischen den Produktvarianten unterscheidet, lässt sich mit einer einfaktoriellen Varianzanalyse überprüfen. Die drei Varianten stellen die Stufen des Faktors dar, dessen Einfluss auf die Kaufabsicht untersucht wird. Im Anschluss kann durch Post-hoc-Tests bestimmt werden, welche Varianten sich im paarweisen Vergleich signifikant voneinander unterscheiden.

Soll neben unterschiedlichen Produktvarianten gleichzeitig der Einfluss von Werbemaßnahmen wie beispielsweise verschiedener TV-Spots (zweiter Faktor) und unterschiedlicher Anzeigen (dritter Faktor) auf die Kaufabsicht analysiert werden, geschieht dies mit einer drei- oder allgemein mehrfaktoriellen Varianzanalyse. Damit lassen sich auch Interaktionseffekte zwischen Faktoren untersuchen. Es kann zum Beispiel identifiziert werden, ob eine Produktvariante mit einem der Spots besonders gut oder besonders schlecht funktioniert.

 

Varianzanalyse mit Messwiederholung

Charakteristisch für die Varianzanalyse mit Messwiederholung sind mehrfache Erhebungen einer Variablen bei denselben Befragten. Beispielsweise probiert jeder Proband alle drei Produktvarianten aus und wird jeweils nach seiner Kaufabsicht gefragt. Die Produktvarianten sind wie zuvor die Gruppierungsvariable, das heißt die Stufen des untersuchten Faktors. Die damit definierten drei Stichproben sind jedoch voneinander abhängig, da sich die bei einer Person erhobenen Werte beeinflussen können. Ein weiteres Beispiel für eine einfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung ist der Test eines einzigen Produkts mit der Erhebung der Kaufabsicht vor, unmittelbar nach dem Ausprobieren und nach längerer Nutzung, um zu überprüfen, ob sie sich im Zeitablauf signifikant verändert hat. Dann sind die Erhebungszeitpunkte die Gruppierungsvariable.

Auch die Varianzanalyse mit Messwiederholung kann mehr als einen Faktor betrachten. Werden mehrere Produktvarianten von verschiedenen Gruppen (erster Faktor) getestet und die Kaufabsicht bei jedem Probanden zu mehreren Zeitpunkten erhoben (zweiter Faktor), liegt eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung auf einem (dem zweiten) Faktor vor. Eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung auf beiden Faktoren ist gegeben, wenn jede der Versuchspersonen zu allen Varianten nach der Kaufabsicht vor und nach dem Ausprobieren gefragt wird.

Mehrdimensionale Varianzanalyse

Mit der mehrdimensionalen Varianzanalyse können Einflüsse von einem oder mehreren Faktoren mit und ohne Messwiederholungen auf mehrere Variablen gleichzeitig untersucht werden – im einfachsten Fall, ob sich die Mittelwerte von zwei Variablen zwischen zwei oder mehr Gruppen unterscheiden. Wird im Eingangsbeispiel neben der Kaufbereitschaft auch eine Beurteilung der Usability der Produktvarianten erhoben, überprüft die mehrdimensionale Varianzanalyse, ob sich mindestens eine der Variablen zwischen den drei Gruppen unterscheidet. Wenn die Variablen miteinander korrelieren, ist ihr gegenüber mehreren einzelnen einfaktoriellen Varianzanalysen der Vorzug zu geben, da sie unter anderem eine höhere Power aufweist.

 

Kovarianzanalyse

In der Varianzanalyse sind die Faktoren, deren Einflüsse untersucht werden, kategoriale Variablen. Es können aber zusätzlich metrische Einflussgrößen – Kovariaten – berücksichtigt werden. Diese Möglichkeit ist besonders nützlich zur Kontrolle von metrischen Störgrößen. Unterscheiden sich im ersten Beispiel die drei Gruppen trotz zufälliger Auswahl im Alter, sollte das Alter als Kovariate mit aufgenommen werden, um ihren „störenden“ Einfluss auf die Kaufabsicht „herauszurechnen“ und Unterschiede in der Kaufabsicht allein auf die Produktvarianten zurückführen zu können.

Beitrag aus planung&analyse 17/1 in der Rubrik „Statistik kompakt“

 

Autoreninformation

Johannes Lüken war bis 2021 Leiter des Bereichs Multivariate Analysen bei IfaD.

Prof. Dr. Heiko Schimmelpfennig ist Projektleiter im Bereich Data Science bei IfaD sowie seit Oktober 2021 als Professor für Forschungsmethoden an der BSP Business & Law School Hamburg tätig. Zuvor war er sieben Jahre Professor für Betriebswirtschaft und Studiengangsleiter an der University of Applied Sciences Europe. Er ist bei IfaD schwerpunktmäßig für die Beratung, Anwendung und Schulung von Multivariaten Verfahren verantwortlich und vertritt in der Lehre das Gebiet der Quantitativen Methoden der Wirtschaftswissenschaft.

 

 

Literatur

Cohen, J.: Statistical Power Analysis for the Behavioral Sciences, 2. Auflage, Hillsdale, 1988.

Faul, F.; Erdfelder, E.; Lang, A.-G.; Buchner, A.: G*Power 3: A Flexible Statistical Power Analysis Program for the Social, Behavioral, and Biomedical Sciences. In: Behavior Research Methods, Jg. 39/2007, 2, S. 175-191.

Platz, F.; Kopiez, R.; Lehmann, M.: Statistische Poweranalyse als Weg zu einer ‚kraftvolleren‘ Musikpsychologie im 21. Jahrhundert. In: Auhagen, W.; Bullerjahn, C.; Höge, H. (Hrsg.): Populäre Musik, Göttingen, 2012, S. 165-179.

 
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