Praxisbeispiel: Multidimensionale Skalierung
Aufgabenstellung
Ein Spirituosen-Hersteller plant, eines seiner Produkte, einen Kräuterlikör, im Umfeld der Wettbewerber optimal zu positionieren. Zu diesem Zweck soll eine Trackingstudie gezielte Veränderungen am Produkt über einen längeren Zeitraum begleiten. Aufgrund einer qualitativen Vorstufe wurden 16 Items definiert und mit Hilfe einer Faktorenanalyse auf ihre Validität im Hinblick auf die Aufgabenstellung überprüft; siehe hierzu „Merkmale identifizieren“.
Die Faktorenanalyse zeigte, dass die Items sich sehr klar den drei grundlegenden Bewertungsdimensionen „Geschmack/Wirkung“, „Verträglichkeit“ und „Störreize“ zuordnen lassen.
In den folgenden Tracking-Wellen wurden alle getesteten Produkte anhand dieser 16 Items bewertet. Je Welle konnte somit die Position des Kundenproduktes in Relation zu den Wettbewerbsprodukten detailliert dargestellt werden.
Eine tabellarische Darstellung der Positionierung des Kundenproduktes im Umfeld von 4 Konkurrenzprodukten liefert 80 Mittelwerte (5 x 16). Um alle Marken auch nur paarweise hinsichtlich der 16 Items zu vergleichen, sind 160 Vergleiche von Mittelwerten vorzunehmen. Um sich ein Gesamtbild der Positionen zu verschaffen, sind noch wesentlich komplexere Vergleiche anzustellen. Es wird daher kaum möglich sein, anhand kognitiver Leistung ein solches Gesamtbild entstehen zu lassen.
Die Verwendung einer Tabelle bleibt somit immer ein Puzzle aus Einzelteilen, die niemals zu einer Einheit zusammengeführt werden können.
Eine reale grafische Abbildung soll alle Bezüge zwischen Marken und Merkmalen zeigen. Das Erkennen und Interpretieren der Position im Wettbewerbsumfeld wird dadurch wesentlich vereinfacht.
Analyse
Für die Erstellung einer solchen Grafik wird eine Multidimensionale Skalierung (MDS) verwendet.
Folgende 16 Eigenschaften wurden bewertet:
Die Bewertung erfolgte auf einer 7er -Skala, wobei 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ und 7 = „trifft voll und ganz zu“ bedeuten.
Die Multidimensionale Skalierung der Daten der ersten Welle lieferte folgendes Ergebnis:
MDS von 5 Kräuterlikörmarken auf der Basis von 15 Eigenschaften
Es ist zu erkennen, dass die 5 Liköre von den Befragten unterschiedlich wahrgenommen werden. Das Kundenprodukt (K) hat eine exponierte Stellung. Jedoch ist aufgrund der Erkenntnisse aus den zuvor durchgeführten Faktoren- und Regressionsanalysen zu schließen, dass diese nicht eindeutig positiv zu bewerten ist. Produkt K wird hinsichtlich der Items aus dem Bereich „Geschmack/Wirkung“ (siehe „Merkmale identifizieren“) sehr positiv bewertet. Aufgrund des hohen positiven Einflusses dieser Dimension auf die Kaufbereitschaft (siehe „Kaufentscheidung erklären“) sichert das eine hohe Akzeptanz in der Zielgruppe.
Allerdings sind im Vergleich zu den Wettbewerbern 1 und 2 unschwer die Schwächen von K zu erkennen: Auch W1 und W2 werden hinsichtlich „Geschmack/Wirkung“ positiv bewertet. Zudem werden sie im Hinblick auf den ebenfalls sehr starken Treiber „Verträglichkeit“ deutlich besser bewertet. Ferner wird vor allem W2 als wesentlich weniger irritierend (geringere „Störreize“) wahrgenommen.
Damit wird klar, dass eine Repositionierung in Richtung „rechts oben“, also in Richtung „Verträglichkeit“ möglichst ohne Verlust an „Geschmack/Wirkung“ eine Optimierung im Hinblick auf die Akzeptanz bei den Konsumenten bedeutet. Außerdem würde das Produkt damit in eine Nische hineinstoßen, denn einen Wettbewerber, der sowohl sehr geschmacks-/wirkungsvoll als auch verträglich ist, gibt es nicht.
Vielleicht liegt das auch daran, dass eine solche Konstellation nur schwer oder unter großen Kosten zu erreichen ist. Eine Kosten-/Nutzenabwägung für eine derartige Veränderung wird aufgrund der gemeinsamen Darstellung aller wesentlichen Aspekte jedoch wesentlich einfacher und fundierter.
In der vorliegenden MDS spiegeln sich die Erkenntnisse aus der Faktorenanalyse wider. Die drei gefundenen unabhängigen Dimensionen lassen sich offenbar gut in eine Ebene projizieren. Damit liegt ein Spezialfall vor, der eine Verbindung zwischen den beiden Analysen herstellen und damit die Interpretation vereinfachen lässt.
Nicht immer gelingt es so eindeutig, unabhängige Dimensionen gut erkennbar in eine Ebene zu projizieren. Mehr als drei unabhängige Dimensionen können prinzipiell nicht eindeutig in der (zweidimensionalen) Ebene dargestellt werden. Daher ist es auch nicht sinnvoll, unabhängige Faktoren für eine MDS zu verwenden.
Im vorliegenden Fall können alle dargestellten Merkmale und Marken so in eine Ebene projiziert werden, dass ihre Relationen zueinander bestehen bleiben. Die Abbildung enthält jedoch nicht alle 16 bewerteten Items. „Hochprozentig“ musste eliminiert werden, da seine Projektion in die Ebene nur zu einer sehr ungenauen Darstellung und somit zur Gefahr von Fehlinterpretationen führte.
Alle übrigen 15 Items konnten mit einer Genauigkeit von mindestens 67% (zwei Drittel erklärte Varianz) im zweidimensionalen Raum reproduziert werden.