Conjoint-Verfahren im Überblick
Johannes Lüken / Dr. Heiko Schimmelpfennig
Die Conjoint-Analyse wird eingesetzt, wenn Produkte oder Dienstleistungen marktgerecht und auf den Kundennutzen ausgerichtet gestaltet werden sollen. Analysiert werden die Präferenzen der Nachfrager. Die Verfahren gehen davon aus, dass sich der Gesamtnutzen eines Konzeptes (einer konkreten, mehrdimensionalen Produktidee) additiv aus den Teilnutzen seiner Merkmale zusammensetzt. Aus der ganzheitlichen Beurteilung (CONsidered JOINTly) mehrerer Kombinationen von Merkmalsausprägungen wird auf deren Teilnutzen geschlossen (dekompositioneller Ansatz). Dazu braucht man nur einen Teil aller möglichen Kombinationen beurteilen zu lassen.
Die Teilnutzen erlauben sodann, die besten und schlechtesten Ausprägungen der Merkmale und deren relative Wichtigkeit zu bestimmen, Kompensationsmöglichkeiten zwischen Ausprägungen aufzuzeigen sowie die Zahlungsbereitschaft für Merkmalsausprägungen oder Konzepte zu ermitteln.
Die Conjoint-Verfahren unterscheiden sich insbesondere im Hinblick auf die Datenerhebung. Im Folgenden werden die bedeutendsten kurz vorgestellt. Ihre Vor- und Nachteile werden in der übernächsten Ausgabe diskutiert.
„Reine“ Conjoint-Verfahren
In der Klassischen Conjoint-Analyse (KCA) sind die durch das Erhebungsdesign bestimmten Konzepte von den Befragten entweder in eine Rangreihe zu bringen oder auf einer Rating-Skala zu bewerten. Die Bestimmung der Teilnutzen erfolgt für jeden Befragten separat. Darüber hinaus haben die Befragten in der Limit Conjoint-Analyse (LCA) eine Limit-Card zu setzen, d.h. zu bestimmen, bis zu welchem Rang oder Rating sie ein Konzept kaufen würden. Dadurch kann ein Schwellenwert berechnet werden, der zeigt, ab welchem Gesamtnutzen ein Konzept gekauft wird. Die Teilnutzenwerte der beiden Verfahren unterscheiden sich jedoch nicht.
In der Choice-Based Conjoint-Analyse (CBC) haben die Befragten wiederholt aus (meistens 3 oder 4) Konzepten eins auszuwählen. Daneben kann eine None-Option angeboten werden, die es ihnen ermöglicht, sich für keines der Konzepte zu entscheiden. Ähnlich wie bei der LCA wird daraus ein Schwellenwert generiert, der anzeigt, ob ein Konzept akzeptiert wird oder nicht. Zumeist werden jedem Befragten 10 bis 20 verschiedene solcher Choice-Sets vorgelegt. Im Vergleich zur KCA bzw. LCA liegen jedoch weniger Informationen vor, da für einen Befragten nicht für alle ihm vorgelegten Konzepte die Relationen zueinander bekannt sind. Insofern können die Teilnutzen entweder nur aggregiert für einen „durchschnittlichen“ Befragten bestimmt werden oder mit Hilfe des Hierarchical Bayes Verfahrens, indem die Teilnutzenwerte aller Befragten herangezogen werden, um die individuellen Schätzungen zu stabilisieren. Verschiedene Varianten des CBC werden in der nächsten Ausgabe vorgestellt.
Hybrid-Verfahren
In Hybrid-Verfahren werden zusätzlich Fragen zu den einzelnen Merkmalen gestellt, so dass im dekompositionellen Teil eine Konzentration auf die relevanten Merkmale bzw. Ausprägungen möglich ist. Im Vergleich zu reinen Conjoint-Verfahren erlauben sie damit die Berücksichtigung von deutlich mehr Merkmalen und Ausprägungen.
Das am weitesten verbreitete Hybrid-Verfahren ist die Adaptive Conjoint-Analyse (ACA). Zunächst haben die Befragten alle Ausprägungen jedes Merkmals zu ranken bzw. auf einer Rating-Skala zu beurteilen. Anschließend ist für jedes Merkmal anzugeben, wie bedeutend der Unterschied zwischen der besten und schlechtesten Ausprägung ist. Im Weiteren werden mehrfach zwei Konzepte gegenübergestellt und nach der Stärke der Präferenz für das eine oder das andere Konzept gefragt. Bereits während der Datenerhebung aktualisiert das Verfahren die Teilnutzen stetig. Um einen möglichst großen Informationsgewinn zu erzielen, werden in den Paarvergleichen Konzepte vorgelegt, die einen ähnlichen Gesamtnutzen aufweisen.
Mit dem Adaptive Choice-Based Conjoint (ACBC) wird die Idee des ACA, Antworten der Befragten im weiteren Verlauf zu berücksichtigen, auf das CBC übertragen. Das ACBC beginnt mit der Built Your Own-Frage, bei der sich die Befragten ihr Wunsch-Konzept zusammenstellen dürfen. In der folgenden Screening-Phase wird eine Reihe von Konzepten vorgelegt, die dieser bevorzugten Variante ähneln. Die Befragten geben für jedes Konzept an, ob es in Frage kommt oder nicht. Zwischendurch besteht die Möglichkeit, Ausprägungen als „must haves“ oder „unacceptables“ zu definieren, die bei der Konstruktion der weiteren Konzepte berücksichtigt werden. Im anschließenden Choice Tasks Tournament bildet das Verfahren aus den in Frage kommenden Konzepten Sets, aus denen jeweils das beste Konzept auszuwählen ist. Die „Gewinner“ treten in weiteren Runden in neuen Choice-Sets gegeneinander an, bis der endgültige Sieger feststeht. Die Schätzung der Teilnutzen erfolgt unter simultaner Berücksichtigung aller drei Schritte. Der Wert der None-Option wird über die Angaben zu den nicht in Frage kommenden Konzepten geschätzt und durch optionale Fragen nach Kaufwahrscheinlichkeiten kalibriert.
Das Hybrid Individualized Two-Level CBC (HIT-CBC) versucht, einen möglichen Number-of-Level-Effekt, d.h. den positiven Zusammenhang zwischen der relativen Wichtigkeit eines Merkmals und der Anzahl seiner Ausprägungen, zu vermeiden. Die Befragten haben zunächst für jedes Merkmal die beste und die schlechteste Ausprägung zu bestimmen. Darauf basierend wird ein CBC durchgeführt, dessen Konzepte sich je Merkmal ausschließlich aus diesen beiden Ausprägungen zusammensetzen und damit die Schätzung deren Teilnutzen ermöglicht. Die Teilnutzen der übrigen Ausprägungen werden auf Basis eines Ratings in Relation zur jeweils besten und schlechtesten Ausprägung bestimmt.
Falls eine thematische Gruppierung der Merkmale möglich ist, können für alle Verfahren hierarchische bzw. Multistage-Designs entwickelt werden. Für die Merkmale jeder Gruppe wird ein eigenes (Sub-)Design erstellt sowie ein Merkmal definiert, das Teil eines übergeordneten Hauptdesigns ist. Beispielsweise sind die Anzahl Airbags, das Soundsystem etc. Merkmale eines Subdesigns und die Innenausstattung eines Autos ein entsprechendes Merkmal des Hauptdesigns. Die Teilnutzen werden innerhalb jedes Designs geschätzt und anschließend mathematisch verknüpft.
Während bei diesem Vorgehen die Gruppierung für alle Befragten gleich ist, werden in der Hierarchisch Individualisierten Limit Conjoint-Analyse (HILCA) die Merkmale nach ihrer zuvor erhobenen individuellen Bedeutung gruppiert. Die Ausprägungen der relevanten Merkmale werden auf einer Rating-Skala beurteilt. Mit den fünf wichtigsten Merkmalen wird dann eine LCA durchgeführt. Für die übrigen relevanten Merkmale werden die Ratings auf die Skala der Teilnutzen transformiert.
Beitrag aus planung&analyse 12/1 in der Rubrik „Statistik kompakt“
Autoreninformation
Johannes Lüken war bis 2021 Leiter des Bereichs Multivariate Analysen bei IfaD.
Prof. Dr. Heiko Schimmelpfennig ist Projektleiter für Multivariate Analysen bei IfaD, Institut für angewandte Datenanalyse, sowie Professor für Betriebswirtschaftslehre an der BiTS, Business and Information Technology School, Hamburg. Er ist bei IfaD schwerpunktmäßig für die Beratung, Anwendung und Schulung dieser Verfahren verantwortlich und vertritt in der Lehre das Gebiert der Quantitativen Methoden der Wirtschaftswissenschaft.
Literatur
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